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Egal, ob alle Beifall klatschen

Benediktinerpater Anselm Grün begeistert mit Vortrag „Mut zu Entscheidungen“

Was wäre die Quittung für eine Fehlentscheidung? Spott? Ein finanzieller Verlust? Sympathieentzug? Solche Gedanken gehen Menschen durch den Kopf, die sich in einer Sache von größerer Tragweite zu einem Ja oder Nein durchringen müssen. Was oft sehr schwer fällt. Entscheidungen benötigen Mut. Zu diesem Mut inspirierte Benediktinerpater Anselm Grün in seinem virtuellen Vortrag „Mut zu Entscheidungen“, den er soeben im Rahmen der Reihe „Kolping-Forum“ hielt.

Oft gehört im Leben eine Portion Glück dazu, damit etwas gelingt. Man kann nicht alles akribisch vorausplanen. Und wer vor einer Entscheidung steht, kann unmöglich sicher sein, dass am Ende das Glück winkt. Entschieden wird in die Zukunft hinein. Und die liegt im Dunkeln. "Menschen fällt es so schwer, sich zu entscheiden, weil sie eine absolut richtige Entscheidung treffen wollen", so Anselm Grün. Deshalb geraten sie unter Druck: "Doch es gibt keine Garantie, dass sich die Dinge, die ich zu entscheiden habe, nicht in zwei Jahren ändern werden." Wer aus diesem Grund entscheidungsschwach ist, sollte sich von der Vorstellung absolut richtiger Entscheidungen verabschieden.

Anselm Grün begeistert dadurch, dass er nicht im luftleeren Raum operiert: Der Bestsellerautor hat schon sehr viele Menschen in seelischen Zwangslagen begleitet. Und er berät Chefs großer Unternehmen. Sein Vortrag war denn auch gespickt mit vielen Beispielen aus dem prallen Leben. Entsprechend realitätsnah ist auch seine Analyse der Frage: Wieso fallen Entscheidungen oft so schwer? Die Angst, nicht absolut richtig zu entscheiden, ist ein Hauptgrund. Eine weitere Hürde stellen "die anderen" dar: Werden sie wohl einverstanden sein? "Dass alle einverstanden sind, kann man nicht erwarten", sagt Pater Anselm. Und: "Manchmal steht man auf einsamem Posten."

Mag sein, dass die eigene Entscheidung für andere ziemlich obskur ist. Man denke an die junge Frau, die unbedingt Künstlerin werden möchte. Weil sie das Talent in sich fühlt. Für die Eltern jedoch ist Kunst absolut brotlos. Niemals würden sie hinter der Entscheidung der Tochter stehen! Schon die Bibel kennt laut Pater Anselm dieses Dilemma: Menschen wollen Jesus nachfolgen. Aber erst müssen sie noch die Eltern fragen. Und in der Familie erledigen, was ansteht. Die Entscheidung wird verschoben. Die Chance zieht vorbei. Weiß jemand genau, was er will, so Pater Anselm, darf er die Entscheidung nicht davon abhängig machen, "ob alle Beifall klatschen".

Mitunter muss man einen sanften Druck auf sich selbst ausüben, um zu einer Entscheidung zu kommen. Sonst verheddert man sich in einer Grübel-Endlosschleife. Um die Grübelspirale zu unterbrechen, hilft es laut Pater Anselm, zu beten. Nicht, dass dann von Gott der klare Hinweis käme: "So ist es richtig!" Das wäre eine völlig naive Vorstellung. Doch betend lässt sich laut Anselm Grün erfühlen, ob die Entscheidung, zu der man aktuell am ehesten tendiert, womöglich die zum jetzigen Zeitpunkt richtige ist. Vier Gefühle sind nach seiner Analyse von besonderer Bedeutung: "Es geht darum, inwieweit man Lebendigkeit, Freiheit, Friede und Liebe spürt."

Vielleicht hat man dann durch die Entscheidung neuerliche Erfolge. Vielleicht führt der Weg ins Glück. Vielleicht auch nicht. Pater Anselm selbst kennt Entscheidungen, die sich am Ende als falsch herausgestellt haben. Doch wie wäre es in einem 76-jährigen Leben auch möglich, ausschließlich richtige Entscheidungen zu treffen! "Wer gewinnen will, muss auch verlieren können", betonte er in seinem Vortrag. Natürlich kann das Spott einbringen. "Das hätte man doch wissen müssen!", sagen die Neunmalklugen. Auch das ist rein menschlich: "Im Nachhinein wissen es immer alle besser." Politiker kennen das nur zu gut.

Gern werden sie auf der Titelseite der Zeitung zerrissen, weil sie etwas falsch entschieden haben. Die Besserwisser ziehen diejenigen, die den Mut zur Entscheidung hatten, mit Freude durch den Kakao. Anselm Grün macht dieses um sich greifende Phänomen Sorgen: "Ich sehe es als eine der größten Gefahren unserer Gesellschaft an, dass wir zunehmend zur Zuschauergesellschaft werden." Immer weniger haben den Mut, zu entscheiden. Immer mehr fühlen sich zu Kommentatoren berufen. In einer oft nicht konstruktiven Weise.

Regeln, Normen und Vorschriften spielen der Mutlosigkeit in die Karten: Das, was irgendwo Schwarz auf Weiß steht, wird zur Richtschnur des eigenen Handelns. Doch vor allem im religiösen Bereich kann das, was normiert ist, nicht die eigene Entscheidung ersetzen, so Pater Anselm: "Die höchste Norm ist das Gewissen." Er selbst zum Beispiel teilt Kommunion an geschiedene Wiederverheiratete aus. Meist, ohne diesen Umstand zu kennen: "Ich würde nie nachfragen." Doch wenn ein Paar aus eigener Gewissensentscheidung heraus zur Kommunion gehen möchte, habe er als Priester keinerlei Recht, das Sakrament zu verweigern.

Es war ein spannender, bewegender und zugleich auch unterhaltsamer Vortrag, den Peter Langer, Bereichsleiter der Kolping-Akademie, organisiert hatte. Anselm Grün versteht es, selbst heikle Themen auf eine angenehme, lebenspraktische Weise aufzubereiten. Sein Vortrag schloss mit der biblischen Aufforderung: "Nimm dein Bett und geh!" Will sagen: Pack deine Zweifel unterm Arm und entscheide!

Moderiert von Peter Langer von der Kolping-Akademie, durfte nach Pater Anselms Grüns Vortrag im Kolping-Chat Fragen an den Referenten gestellt werden.

Pater Anselm im Gespräch mit Peter Langer Bild: Kolping-Akademie
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